Zukunft schenken

Marc und Abul (Namen geändert) freuen sich auf die Tischler-Ausbildung in der Jugendwerkstatt Gießen. Sie wissen, ohne eine anständige Berufsausbildung haben sie auf dem Arbeitsmarkt geringe Chancen. Doch einen regulären Ausbildungsplatz haben beide nicht finden können.

Marc (17) hat den Hauptschulabschluss, ist aber „handwerklich begabt“, bescheinigt ihm die Pädagogin Stefanie Rau aus dem Team der Jugendwerkstatt. Abul (29) floh vor vier Jahren aus dem Iran, hat jedoch bisher kein Asyl erhalten und so ist sein Aufenthalt in Deutschland derzeit noch ungesichert. Ihre Ausbildung wird nicht öffentlich gefördert. Das unterscheidet sie von den anderen rund 25 Auszubildenden im Holz -und Metallbereich der Jugendwerkstatt.

Marc und Abul fallen durch das Raster der staatlichen Ausbildungsförderung. Sie erfüllen nicht alle Kriterien. Seit vielen Jahren kümmert sich die Jugendwerkstatt der Evangelischen Kirche aber auch um junge Menschen wie sie. „Wir machen junge Menschen fit für den Arbeitsmarkt und geben Ihnen eine solide Perspektive für ihre Zukunft“, unterstreicht Anette Bill, Pfarrerin der Jugendwerkstatt.  Möglich machen das Paten, die mit unterschiedlich hohen Spenden die Ausbildung, monatlich rund 1.900 Euro pro Jugendlichem, finanzieren.

Seit 15 Jahren funktioniert das Patenschaftsmodell. Insgesamt 20 Ausbildungen abseits staatlicher Förderung wurden seit 2002 möglich. Aber Pfarrerin Bill muss unablässig Spender und Paten finden und motivieren. Ihre Augen leuchten, wenn sie darauf verweist, dass Handwerksbetrieben in und um Gießen die Ausbildung der Jugendwerkstatt schätzten. Wer die in der Weststadt gelegenen Werkstätten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung verlässt, hat in den meisten Fällen eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt in der Tasche. „Die Jugendwerkstatt ist ein erfolgreiches Sprungbrett in Arbeit und ein selbst finanziertes Leben“, so Anette Bill.

Für Betriebe ist es besonders interessant, dass Auszubildende pädagogisch betreut werden, also zusätzlich für die Berufsschule fit gemacht werden, unterstreicht die Pädagogin, Stefanie Rau. Die Unterrichts- und Prüfungsvorbereitung, u.a. beim Training mit Fachprogrammen am Computer oder bei der Erstellung des Berichtsheftes, wissen auch Betriebe zu schätzen. „Eine renommierte Firma schickt ihre Auszubildenden ergänzend in unsere Prüfungsvorbereitung … und zahlt dafür auch Geld“, berichtet die Pädagogin mit Stolz.

Abul hat bereits im Iran als Tischler gearbeitet, allerdings ohne eine in Deutschland anerkannte Ausbildung absolviert zu haben. Vor allem muss er die deutschen Fachbegriffe und Redewendungen in der Holzbearbeitung erlernen. Er ist erst seit Anfang August in der Jugendwerkstatt, doch weiß er jetzt schon, dass es ihm hier gut gefällt. Und so hofft er mit dem Team der Jugendwerkstatt, dass sich immer wieder neue Paten finden.

Jeder Auszubildende hat die Chance, bereits während der Lehrzeit in der Jugendwerkstatt in die reguläre Ausbildung eines Betriebes wechseln zu können. So erhöhen sich die Chancen für eine spätere Übernahme. Die Jugendwerkstatt unterhält mittlerweile ein gutes Beziehungsnetz zu Betrieben in der Region und vermittelt die Auszubildenden in mehrwöchige Praktika. Und, dass Handwerksbetriebe händeringend Fachkräfte suchen, weiß inzwischen jeder.

Derzeit sind es knapp 100 Paten, die jungen Leuten wie Marc und Abul eine Chance geben und ihnen Zukunft schenken. Bei ihnen handelt es sich um Privatpersonen, Kirchengemeinden oder Geschäftsleute. Anette Bill ist dankbar, kann aber nicht alle nennen und will einzelne Förderer nicht hervorheben. Nur eine Ausnahme macht sie. Die Evangelische Kirchengemeinde in Watzenborn-Steinberg hat in den zurückliegenden Jahren die Patenschaft für eine Ausbildung komplett übernommen. Während dieser Zeit hat der Kirchenvorstand auch regelmäßig Kontakt mit der Jugendwerkstatt und dem Auszubildenden gepflegt. Doch wird jeder Pate einmal im Jahr eingeladen, sich ein Bild von den jungen Menschen und ihren Ausbildungserfolgen zu machen.

Mehr Informationen zu Ausbildungspatenschaften in der Jugendwerkstatt erhalten Sie hier.

Bildunterschrift:
Pädagogische Betreuung und fachliche Ausbildung gehen in der Jugendwerkstatt Hand in Hand. Diplompädagogin Stefanie Rau und Fachanleiter Jan Werner mit Abul und Marc.
Foto: Hartmann